
Über die Österreicher und deren Berge mag man ja sagen was man möchte: Aber spätestens wenn 60 abenteuerhungrige Bielefelder Automatisierungsexperten in einem Doppeldecker-Bus anreisen, wird aus jedem verschlafenen Berggipfel ein echtes Erlebnis-Wunderland.
Gestartet ist unser Bus voll motiviertem Humankapital an einem Mittwochabend am Bielefelder Kesselbrink. Unser Busfahrer Herr P. zählte direkt zu den ersten Highlights der Tour: So viel schlechte Laune schockte selbst die Kollegen vom Support-Telefon, doch tapfer wie er war brachte er uns trotz mehrerer Zwischenfälle sicher ans Ziel: Ins etwa 750 km entfernte Hüttendorf „Maria Alm“ in Österreich. Während einige die lange Fahrt zum Ausschlafen nutzten, verursachte dieselbe bei anderen einen spontanen Schlafmangel, der seine Auswirkungen noch bis in die übernächste Arbeitswoche ziehen sollte. Wir fuhren und fuhren, die Sonne ging unter, die Sonne ging auf und am frühen Donnerstagmorgen beschenkte uns Herr P. mit einem atemberaubenden Alpenpanorama. Wir waren in unserer Wunschunterkunft angekommen.
Der erste Tag am Berg durfte von jedem so genutzt werden, wie er es für richtig hielt: Es wurde in zwei Schwierigkeitsgraden gewandert, geschlafen, gegessen und getrunken. Der ein oder andere lernte sich (besser) kennen und inspizierte das Gelände, auf dem wir uns abends zum gemeinsamen Essen am Feuer wieder einfanden. Der Edi (so nennt man einen Österreicher der den guten Geist des Hauses verkörpert) hat dazu einen irrsinnig großen Grill angefeuert, während Marina und einige andere Musikbegabte ihren Teil zum gemütlichen Abend beisteuerten. Wer nach dem gemeinsamen Festschmaus nicht völlig platt und müde war, gönnte sich noch einen Absacker an der Bar, bevor es dann wirklich und endgültig still wurde auf unserem einsamen Berggipfel.
Der nächste Sonnenaufgang kündigte den Samstag und damit den aufregendsten unserer drei Reisetage an. Pünktlich um 11 Uhr (jede Sekunde Verspätung war ein Segen für die nicht-so-gerne-frühaufsteher) startete der Bus an unserer Unterkunft in Richtung wildes, reißendes Gewässer. Schnell noch in adäquate Kleidung geschlüpft und mit Schwimmkörpern versehen, sammelten wir uns samt Booten und Guides am Fluss, wo wir erst einmal kennenlernen durften, wie kalt so ein Gewässer in den Alpen werden kann. Wem bei diesen Zeilen nicht kurz das Herz stehen bleibt, der hat wahrscheinlich gekniffen. Alle anderen hatten in den folgenden drei Stunden riesigen Spaß im Kampf gegen die Strömung und die Boote der anderen Kollegen. Es wurde gerammt, geschubst, verfolgt und nassgespritzt, glücklicherweise aber ohne ernstzunehmende Verluste. Im Anschluss an die Bootsfahrt lockte man uns dann mit einem deftigen Mittagessen aus dem Wasser, bevor es wieder zurück ins Dorf und an die Arbeit ging. Es wartete auf uns: Die Service-Business Challenge.
Dieses Planspiel war eine Idee aus dem Marketing und wir waren die Versuchskaninchen, die das Spiel bestehen mussten, bevor man potenzielle Kunden damit konfrontieren konnte. In vier Gruppen wurde gegeneinander gerechnet, gerätselt, geraten und um die richtige Meinung gerungen, doch am Ende hatten irgendwie alle recht. „Das Team von XY hat ganz knapp gewonnen, aber eigentlich ist der Unterschied nicht der Rede wert“, so das Fazit der Spielleitung. Die Ehrgeizigen unter uns waren regelrecht gekränkt, waren wir uns doch sicher die anderen Teams haushoch besiegt zu haben. Letzte Rivalitäten wurden abends auf der benachbarten Alm beim Abendessen ausgefochten. Es gab einen „Hut“, also einen traditionellen österreichischen Metalltrichter, der mit der kleinen Öffnung nach oben zeigend auf einem Brenner platziert wurde und an der Seite Dornen hatte. Auf diesen Dornen ließ sich nun (auch aus einiger Entfernung) Fleisch platzieren, welches dann am heißen Trichter gegart wurde. Ein echter Feinschmecker für Karnivoren, allerdings völlig ungeeignet für unsere vegetarischen Kollegen, die daher „à la carte“ essen mussten. Bei der Nachfrage der Bedienung ob man denn dann Käsespätzle oder Spinatknödel haben wolle fühlte sich der ein oder andere Vegetarier veralbert, stellte dann aber beim Blick auf die Karte fest, dass das tatsächlich die einzigen beiden vegetarischen Gerichte auf der Karte waren. Für Bielefelder Verhältnisse völlig undenkbar.

Die letzte Nacht im Hüttendorf hätte theoretisch die ruhigste aller Nächte werden müssen, was sich allerdings in der Praxis als Irrtum erwies: Die Bar war geöffnet, die Stimmung auf dem Höhepunkt und so zeigte sich schon früh welcher Teil der Belegschaft als partytauglich durchgeht und welcher nicht. Die Details dieser Nacht verschwanden (zurecht) in den Köpfen der Beteiligten. Nur so viel sei verraten: Trotz aller Turbulenzen verschlief nur ein einziger symmedianer die Rückfahrt am nächsten Morgen. Und die gab dann auch den härtesten Kollegen den Rest.
von Nils